Klärung der Begriffe:
Öffentlich bestellte vs. zertifizierte Sachverständige in der Immobilienbewertung
Ich werde häufig gefragt, was denn nun die Unterschiede zwischen einem öffentlich bestellten und einem (nach der DIN EN ISO/IEC 17024) zertifizierten Sachverständigen für die Immobilienbewertung sind. Worin unterscheiden sich öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige und nach DIN EN ISO/IEC 17024 zertifizierte Sachverständige? Gibt es dazu Regelungen oder Gesetze?
Werden beide gleichermaßen als qualifizierte Sachverständige anerkannt?
Die Antwort ist: ja
Es lässt sich sagen, dass sich öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige (ö.b.u.v.) und nach DIN EN ISO/IEC 17024 zertifizierte Sachverständige zwar in einigen Aspekten unterscheiden, rechtlich aber gleichgestellt sind. Die Zertifizierung nach DIN EN ISO/IEC 17024 gilt oft als strenger und international anerkannter. Gerichte und Auftraggeber können beide Arten von Sachverständigen grundsätzlich gleichwertig beauftragen.
Hier sind die wichtigsten Unterschiede und relevanten gesetzlichen Regelungen:
Gesetzliche Regelungen und Gleichstellung
Gesetz zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie im Gewerberecht (2009):
- Hier wurde die rechtliche Grundlage für die Gleichstellung beider Systeme geschaffen.
Änderungen in verschiedenen Gesetzen:
- Bewertungsgesetz (BewG § 198 Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts), Beleihungswertverordnung (BelWert § 6 Gutachter), Erbschaftssteuerrichtlinie (ErbStR), Investmentgesetz (InvG), Pfandbriefgesetz (PfandBG).
- Die ausschließliche Zuständigkeit von öffentlich bestellten Sachverständigen wurde gestrichen.
Gerichtliche Bestätigung der Gleichwertigkeit:
- Zum Beispiel durch das Landgericht Hechingen, Beschluss vom 19.07.2017 (Az. 1 OH 19/15). Das Gericht bestätigte, dass die Zertifizierung nach DIN ISO 17024 mit der öffentlichen Bestellung gleichwertig ist.
Zivilprozessordnung (ZPO):
- § 404 Abs. 2 ZPO sieht zwar öffentlich bestellte Sachverständige vor, dies gilt aber nur als Ordnungsvorschrift ("Sind für gewisse Arten von Gutachten Sachverständige öffentlich bestellt, so sollen andere Personen nur dann gewählt werden, wenn besondere Umstände es erfordern.").
- Bedeutet im Grunde, dass Gerichte frei entscheiden können, auch zertifizierte Sachverständige zu beauftragen.
Qualifikation und Prüfung
Zertifizierte Sachverständige (DIN EN ISO/IEC 17024):
- Müssen ihre fachliche und persönliche Kompetenz gegenüber einer akkreditierten Zertifizierungsstelle nachweisen.
- Durchlaufen ein strengeres Prüfungsverfahren mit einheitlichen Kriterien.
- Müssen schriftliche und/oder mündliche Prüfungen ablegen und Gutachten einreichen.
Öffentlich bestellte Sachverständige:
- Werden von Kammern bestellt.
- Das Prüfungsverfahren kann weniger streng sein.
Überwachung und Rezertifizierung
Zertifizierte Sachverständige:
- Unterliegen einer strengeren Überwachung durch die Zertifizierungsstelle.
- Müssen regelmäßig Arbeitsproben und Weiterbildungsnachweise vorlegen.
- Durchlaufen alle 3-5 Jahre eine Re-Zertifizierungsprüfung.
Öffentlich bestellte Sachverständige:
- Die Überwachung fällt in der Regel geringer aus.
Geltungsbereich
Zertifizierte Sachverständige:
- Die Zertifizierung nach ISO 17024 ist international anerkannt.
- Gilt als höchstmögliche Qualifikation im Sachverständigenwesen auf internationaler Ebene.
Öffentlich bestellte Sachverständige:
- Die öffentliche Bestellung existiert nur in Deutschland und Österreich
Die Bedeutung der Zertifzierungsstellen
Die verschiedenen Gesetze und Verordnungen fordern, dass die Zertifizierung des Sachverständigen durch eine nach DIN EN ISO/IEC 17024 akkreditierten Stelle erfolgen muss. So heißt es im § 198 Abs. 2 BewG: Als Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts kann regelmäßig ein Gutachten des zuständigen Gutachterausschusses im Sinne der §§ 192 ff. des Baugesetzbuchs oder von Personen, die von einer staatlichen, staatlich anerkannten oder nach DIN EN ISO/IEC 17024 akkreditierten Stelle als Sachverständige oder Gutachter für die Wertermittlung von Grundstücken bestellt oder zertifiziert worden sind, dienen.
Es steht nichts davon, dass die zertifizierende Stelle bei der Deutsche Akkreditierungsstelle (DAkkS) akkreditiert sein muss. Auch in der Norm selber steht nichts davon drin. Dennoch werden insbesondere von den Finanzämter Gutachten von Sachverständigen abgelehnt, die zwar ordentlich nach der DIN EN ISO/IEC 17024 zertifiziert sind (und eine erhebliche Menge Zeit und Geld in Ausbildung und Zertifizierung investiert haben), deren Zertifizierungsstelle aber nicht bei der Dakks akkrediert ist. Dem Steuerpflichtigen bleibt dann nur noch der Klageweg. Ich will dieses Verhalten hier nicht werten, dass überlasse ich Ihnen.
Um den Problemen und Diskussionen künftig aus dem Weg zu gehen, bin ich aktuell dabei, mich ein zweites Mal von einer Stelle zertifizieren zu lassen, die auch bei der Dakks akkreditiert ist.
Soviel zur kurzen Zusammenfassung.
Nachfolgend noch einige ausführlichere allgemeinere Worte zur Bedeutung der Sachverständigen für Immobilenbewertung.
Die Welt der Immobilienbewertung birgt zahlreiche Facetten, die für alle Beteiligten gleichermaßen von Bedeutung sind. Ob Sie den Wert Ihrer Immobilie ermitteln möchten, um den optimalen Preis beim Verkauf zu erzielen, oder die Kosten einer Baufinanzierung besser einschätzen wollen – die Lage, der Zustand und weitere Faktoren spielen eine entscheidende Rolle.
Die Bedeutung der Sachverständigen in der Immobilienbewertung
Die Bedeutung von Sachverständigen in der Immobilienbewertung ist für eine fundierte Markttransparenz und wirtschaftlich rationale Entscheidungen unerlässlich. Sachverständige bringen umfangreiche Fachkenntnisse und langjährige Erfahrung in der Bewertung von Immobilien mit, die es ihnen ermöglichen, fundierte und verlässliche Verkehrswertgutachten zu erstellen. Diese Gutachten sind entscheidend für verschiedene Interessengruppen, darunter Privatpersonen, Immobilieninvestoren, Banken, Gerichte, Finanzämter und öffentliche Institutionen.
Ein zertifizierter Sachverständiger sorgt dafür, dass die relevanten Bewertungsverfahren – wie das Ertragswertverfahren, das Vergleichswertverfahren und das Sachwertverfahren – korrekt angewendet werden. Die Ergebnisse stützen sich auf fundierte sowie verifizierbare Daten und objektive Marktanalysen, wodurch die Qualität und Integrität der Prüfung sichergestellt wird.
Zudem erfüllen Sachverständige eine wichtige Funktion bei der Minimierung von Risiken, sei es bei der Immobilienfinanzierung oder im Kontext von Investmententscheidungen. Sie tragen dazu bei, fundierte Entscheidungen zu treffen, die nicht nur rechtlichen, sondern auch steuerlichen Anforderungen genügen. Angesichts der Komplexität des Immobilienmarktes ist ihre Expertise unverzichtbar für die langfristige Wertsteigerung und den Erhalt von Immobilien.
Insgesamt sichern Sachverständige für Immobilienbewertungen nicht nur wirtschaftliche Interessen, sondern leisten auch einen Beitrag zur Stabilität des Marktes durch transparente und nachvollziehbare Bewertungsstandards.
Unterschiede zwischen öffentlich bestellten und zertifizierten Sachverständigen
Die Unterscheidung zwischen öffentlich bestellten und zertifizierten Sachverständigen ist entscheidend für die Einschätzung ihrer Qualifikationen und der Anwendungsbereiche ihrer Gutachten.
Öffentlich bestellte Sachverständige:
- Qualifikation und Anerkennung: Öffentlich bestellte Sachverständige werden von einer zuständigen Behörde (z. B. Industrie- und Handelskammer) ernannt. Die Ernennung erfolgt nach einem strengen Auswahlverfahren, das Fachwissen, praktische Erfahrung und ein umfassendes Verständnis der relevanten Gesetze und Vorschriften umfasst.
- Zuständigkeit: Ihr Gutachten hat in vielen Fällen eine besondere rechtliche Bedeutung. Sie werden häufig bei gerichtlichen Auseinandersetzungen, Erbschaftsangelegenheiten oder in der Verwaltung herangezogen, da ihre Expertise als besonders neutral und vertrauenswürdig gilt.
- Haftung: Öffentlich bestellte Sachverständige unterliegen strengen berufsrechtlichen Regelungen und können für die Richtigkeit ihrer Gutachten haftbar gemacht werden. Dies erhöht die Verlässlichkeit und Akzeptanz ihrer Bewertungen in Rechtsstreitigkeiten und offiziellen Verfahren.
Zertifizierte Sachverständige:
- Qualifikation: Zertifizierte Sachverständige haben eine spezielle Ausbildung oder Schulung absolviert, die mit einer Zertifizierung durch eine fachlich anerkannte Institution abgeschlossen wird. Diese Zertifizierung belegt ihre Fachkenntnisse in einem bestimmten Bereich der Immobilienbewertung, jedoch nicht unter dem gleichen staatlichen supervisiven Rahmen wie bei öffentlich bestellten Sachverständigen.
- Zuständigkeit: Während auch zertifizierte Sachverständige fundierte Gutachten erstellen können, werden ihre Bewertungen nicht immer mit dem gleichen rechtlichen Gewicht akzeptiert wie die von öffentlich bestellten Sachverständigen. Sie finden häufig Anwendung in privaten Transaktionen, Marktanalysen oder für Investmententscheidungen.
- Haftung: Die Haftung von zertifizierten Sachverständigen kann weniger streng sein als die von öffentlich bestellten, da sie nicht den gleichen berufsrechtlichen Rahmenbedingungen unterliegen. Dennoch sind sie verpflichtet, die Standards ihres Zertifizierungsprogramms einzuhalten.
Wie oben ausgeführt, sind nach der DIN EN ISO/IEC 17024 zertifizierte und öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige rechtlich gleichgestellt. Zertifizierte Sachverständige bieten darüber hinaus oftmals Flexibilität und Fachwissen in spezifischen Marktsegmenten.
Auswahlkriterien für die Beauftragung eines Sachverständigen in der Immobilienbewertung
Die Auswahl eines Sachverständigen für die Immobilienbewertung ist ein kritischer Schritt, der je nach Adressat spezifische Auswahlkriterien erfordert. Die nachstehenden Kriterien sind für verschiedene Zielgruppen von besonderer Bedeutung:
Privatpersonen
- Zertifizierung und Qualifikation: Achten Sie auf die fachliche Qualifikation und ob der Sachverständige öffentlich bestellt oder nach der DIN EN ISO/IEC 17024 zertifiziert ist.
- Erfahrung: Prüfen Sie die Erfahrungen des Sachverständigen in Bezug auf den spezifischen Immobilientyp (z. B. Wohnimmobilien, Gewerbeimmobilien).
- Referenzen: Holen Sie Referenzen von früheren Klienten ein, um die Zuverlässigkeit und Qualität der Gutachten zu überprüfen.
- Transparenz: Der Sachverständige sollte in der Lage sein, die Bewertungsmethode klar zu erläutern und nachvollziehbare Daten zu liefern.
Immobilieninvestoren
- Marktkenntnis: Der Sachverständige sollte über fundierte Kenntnisse des relevanten Immobilienmarktes und der aktuellen Trends verfügen.
- Ertragswertgutachten: Achten Sie darauf, dass der Sachverständige Erfahrung mit Ertragswertgutachten hat, um die zukünftigen Erträge eines Objekts bewerten zu können.
- Software und Tools: Fragen Sie nach den verwendeten Bewertungsinstrumenten oder Software, um sicherzustellen, dass moderne Bewertungsverfahren angewendet werden.
- Portfolio-Analysen: Die Fähigkeit, auch umfassende Portfolio-Bewertungen vorzunehmen, kann entscheidend sein.
Banken und Finanzinstitute
- Zuverlässigkeit und Unabhängigkeit: Der Sachverständige sollte eine nachweisliche Unabhängigkeit besitzen, um Interessenskonflikte zu vermeiden.
- Regulatorische Anforderungen: Überprüfen Sie, ob der Sachverständige die spezifischen gesetzlichen und regulatorischen Anforderungen für Bewertungen einhält.
- Bewertungskompetenz: Der Sachverständige sollte über umfangreiche Erfahrung in der Erstellung von Verkehrswertgutachten zur Beurteilung von Immobilien für die Kreditvergabe verfügen.
- Fristen: Die Fähigkeit, Gutachten innerhalb vorgegebener Fristen zu erstellen, ist oft von hoher Bedeutung.
Versicherungen
- Versicherungserfahrung: Gute Kenntnisse im Bereich der Schadensregulierung und Bewertung von Immobilienwerten für Versicherungszwecke sind essentiell.
- Anpassungsfähigkeit: Der Sachverständige sollte in der Lage sein, verschiedene Bewertungsmethoden anzuwenden, je nach spezifischen Anforderungen der Versicherung.
- Dokumentation: Bedacht auf die Fähigkeit, detaillierte und nachvollziehbare Dokumentationen zu erstellen, die für Versicherungsanliegen erforderlich sind.
Öffentliche Hand, Gerichte und Behörden
- Zertifizierung und öffentliche Bestellung: Präferieren Sie nach der DIN EN ISO/IEC 17024 zertifizierte oder öffentlich bestellte Sachverständige, um sicherzustellen, dass die Bewertungen neutral und rechtlich fundiert sind.
- Präferenz für Transparenz: Die Ansprüche an Transparenz und Nachvollziehbarkeit in der Bewertung sind besonders hoch, daher sollte der Sachverständige in der Lage sein, alle Aspekte der Bewertung verständlich zu kommunizieren.
Insgesamt ist es wichtig, dass jede Zielgruppe ihre spezifischen Anforderungen und Erwartungen berücksichtigt, um den geeigneten Sachverständigen zu finden, der präzise und verlässliche Ergebnisse liefern kann.
Recherchequellen
- https://www.bundesfinanzministerium.de
- https://www.bdsf.de
- https://ivd.net
- https://www.gesetze-im-internet.de/belwertv
- https://www.gesetze-im-internet.de/bewg
Kontakt zum Autor: Thomas Braun | Tel. 0151 4012 9681 |
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