Eine besondere Herausforderung
Der Beitrag beschreibt die komplexe Bewertung einer Kläranlage im Rahmen eines Erbbaurechtsvertrags, betont aber seinen Charakter als Erfahrungsbericht und keine Anleitung. Trotz fehlender Praxisbeispiele und Literaturquellen habe ich durch umfassende Recherche und Kreativität einen Lösungsansatz entwickelt, der am Ende von allen Beteiligten akzeptiert wurde. Dabei war es entscheidend, im Rahmen der ImmoWertV zu bleiben, fundierte Schritte zu dokumentieren und abweichende Vorgehensweisen plausibel zu begründen. Der Beitrag soll ermutigen, Herausforderungen mit Entschlossenheit und methodischer Präzision anzugehen.
Einordnung
Dieser Beitrag erhebt nicht den Anspruch eines Leitfadens zur Bewertung von Kläranlagen, sondern ist vielmehr ein Erfahrungsbericht. Bei diesem Auftrag waren sehr viel Recherchearbeit und auch Kreativität erforderlich, um am Ende zu einem für alle Beteiligten nachvollziehbaren und allseits voll akzeptierten Ergebnis zu kommen.
Er kann somit vielleicht Mut machen, auch Aufgaben anzugehen, die völliges Neuland bedeuten und für die sich keine Beispiele aus der Praxis und auch keine Hilfestellungen aus der einschlägigen Literatur finden lassen.
Aus meiner Sicht ist es aber dabei sehr wichtig, dass man möglichst immer im Rahmen der ImmoWertV bleibt, alle Schritte fundiert und belegt, sowie stets nachvollziehbare Wege geht und abweichende Vorgehensweisen im Gutachten plausibel begründet.
Vorgeschichte und Beauftragung
Eine Investmentgesellschaft sprach mich an und fragte nach, ob ich bei der Bewertung einer Kläranlage unterstützen könne. Die Kläranlage war hierbei zudem die Bebauung eines Erbbaurechtes. Die Notwendigkeit zur Bewertung ergab sich aus dem ablaufenden Erbbaurechtsvertrag, der besagte: „Endet das Erbbaurecht durch Zeitablauf, so kann der Erbbauberechtigte eine Vergütung in Höhe des Verkehrswertes verlangen.“ Anlass der Bewertung war das Ende des Erbbaurechtsvertrags durch Zeitablauf.
Ich habe gleich zu Beginn der intensiven Vorgespräche mit den Beteiligten darauf hingewiesen, dass ich bislang noch keine Kläranlage bewertet hatte und die größte Herausforderung darin bestehen wird, eine gute Herangehensweise zu finden, die am Ende von allen Beteiligten akzeptiert werden kann. Da sich jedoch sonst niemand gefunden hatte, der Erfahrungen in der Bewertung von Kläranlagen hatte – und man wohl in den Vorgesprächen von meiner grundsätzlichen Kompetenz in der Bewertung auch außergewöhnlicher Fälle überzeugt war – kam es zu Beauftragung. Eine nicht unwichtige Rolle spielte dabei auch mein langjähriger und fundierter betriebswirtschaftlicher Hintergrund.
Die Erbbaurechtsthematik war ein spezieller Punkt in der Wertermittlung, der in diesem Beitrag aber nicht weiter besprochen werden soll.
Allen Beteiligten war bewusst, dass es keinen nennenswerten Markt für Kläranlagentransaktionen gibt (kein wahrnehmbarer gewöhnlicher Geschäftsverkehr) und somit die Bedingungen des § 194 BauGB hinsichtlich Verkehrswert nicht vollständig erfüllt sind. Somit wurde unter einhelliger Zustimmung aller Beteiligten die Erstellung einer an ein vollwertiges und rechtsverbindliches Verkehrswertgutachten im Sinne des § 194 BauGB angelehnte Wertermittlung vereinbart.
Die Anlage
Zunächst eine grundsätzliche Definition, der Wikipedia entnommen, weil dort m. E., recht gut beschreiben: „Eine Kläranlage, auch Abwasserbehandlungsanlage oder Klärwerk, ist eine technische Anlage zur Reinigung von Abwasser. Zur Reinigung der Gewässer verunreinigenden Bestandteile der Abwässer werden mechanische, biologische und chemische Verfahren eingesetzt. Da diese Verfahrensarten nacheinander in verschiedenen Reinigungsstufen eingesetzt werden, nennt man moderne konventionelle Kläranlagen in der Regel „dreistufig“. Mittlerweile werden Kläranlagen auch mit einer vierten Reinigungsstufe ausgerüstet, wobei hier über verschiedene Verfahren (z. B. Ozonung, Aktivkohlefiltration) Mikroverunreinigungen (z. B. Arzneimittelrückstände, Pestizide) aus dem Abwasser entfernt werden.“
Gemäß Auskunft des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) „darf Abwasser in Deutschland nicht ungeklärt in Flüsse und Seen eingeleitet werden, egal ob es aus Haushalten, Gewerbe oder Großindustrie stammt. Das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) schreibt vor, dass die enthaltenen Schadstoffe so weit reduziert werden müssen, wie der Stand der Technik es ermöglicht. In Deutschland sind über 96 Prozent der Gesamtbevölkerung an die öffentliche Kanalisation angeschlossen. Das heißt, das Abwasser der Haushalte wurde in der öffentlichen Kanalisation gesammelt - rund 540.723 Kilometer Abwasserkanäle - und in Kläranlagen geleitet. Es gibt knapp 10.000 solcher Kläranlagen. In öffentlichen Kläranlagen werden jährlich insgesamt etwa 10,07 Milliarden Kubikmeter Abwasser behandelt – davon circa 0,1 Prozent nur mechanisch, 1,9 Prozent biologisch ohne gezielte Entfernung von Nährstoffen und circa 98 Prozent biologisch mit gezielter Nährstoffentfernung.“[1]
Die von mir zu bewertende Anlage ist eine der modernsten biologischen Großkläranlagen ihrer Art und hat eine Ausbaugröße von 345.000 Einwohnerwerten. Ihre Kapazität ist:
- 80.000 Kubikmeter Abwasser pro Tag
- 4.000 Kubikmeter Abwasser pro Stunde bei Trockenwetterzulauf
- 8.000 Kubikmeter Abwasser pro Stunde bei Mischwasserzulauf
Die Grundstücksfläche umfasst ca. 30 Hektar, davon sind 20 Hektar bebaut, da die Kläranlage nach dem Baukastenprinzip errichtet wurde, ist sie jederzeit erweiterbar. Der Platz hierfür ist dank vorausschauender Planung vorhanden.
Die Kläranlage entfernt in den verschiedenen mechanischen und biologischen Stufen ca. 98 % aller Schadstoffe aus dem anfallenden Abwasser, das so gereinigte Wasser wird über einen nahe gelegenen Fluss nach der Reinigung wieder direkt dem Wasserkreislauf zugeführt.
Zu Beginn meiner Arbeiten im Rahmen der Bewertung konnte ich die gesamte Anlage bei einer hochinformativen und ausgedehnten Führung ausführlich anschauen und die technischen Hintergründe kennenlernen. Bei dieser Begehung wurde auch schon ein sehr wesentlicher Punkt der Bewertung deutlich: den weitaus größten Teil der zu bewertenden Immobilie nehmen die Außenanlagen ein, die zudem noch von den technischen Anlagen zu trennen sind.
Nachfolgend eine schematische (in Anordnung und Größenverhältnissen fiktive) Darstellung der Komponenten der zu bewertenden Kläranlage:
2 Pumpwerk
3 Sand- bzw. Fettfang
4 Vorklärung
5 Belebungsanlage
6 Nachklärung
7 Filtration
8 Vorentwässerung
9 Entwässerung
10 Trocknung
11 Abluftreinigung<
12 Voreindicker
13 Faulturm
14 Nacheindicker
15 Trübwasserbecken
16 Gasbehälter
17 Regenwasserbehandlung 1
18 Abluftreinigung
19 Regenwasserbehandlung 2
20 Gebläsegebäude
21 Werkstattgebäude
22 Betriebsgebäude
23 Labor
24 Parkplätze
Blau gefärbt die Außenanlagen incl. der Einhausungen technischer Anlagen.
Hier wird schon rein visuell sehr deutlich, dass insbesondere die Außenanlagen einen bedeutenden funktionalen Anteil der gesamten Kläranlage einnehmen.
Recherche
Im ersten Schritt habe ich die einschlägige Wertermittlungsliteratur hinsichtlich der Wertermittlung von Kläranlagen konsultiert. Ich habe Zugang zu den digitalen Ausgaben der Standardwerke der Herren Kleiber und Sprengnetter. So gestaltete sich die Suche recht komfortabel, brachte aber dennoch nichts für mich Zielführendes zutage. Das Thema ist sehr speziell und so war das allerdings auch nicht unbedingt anders zu erwarten.
Im nächsten Schritt habe ich dann die spezielle Literatur zu Sonder- und Spezialimmobilien durchforstet. Da ich ein besonders Interesse für diese Immobilienklasse habe, stehen die Werke zum Glück bereits bei mir im Regal. Doch weder in „Bewertung von Spezialimmobilien“ (Hrsg. Bienert/Wagner) noch in „Spezialimmobilien von A bis Z“ (Hrsg. Bobka), „Spezialimmobilien“ (Hrsg. Heuer/Schiller) oder dem „Handbuch Gewerbe- und Spezialimmobilien“ (Hrsg. Falk/Falk) fand sich etwas, das sich auch nur annähernd mit der Wertermittlung von Kläranlagen befasst hätte.
Weitere Bücher zum Thema sind mir nicht bekannt. Ich bin über jeden Hinweis dankbar, sollte es noch andere Werke geben, die sich mit der Bewertung von Sonder- und Spezialimmobilien beschäftigen!
Ich habe auch digitalen Zugriff auf die Wertermittlungszeitschriften und Archive „GuG - Grundstücksmarkt und Grundstückswert“ (Wolters Kluwer), „Immobilien & bewerten“ bzw. „WertermittlungsForum“ (Sprengnetter) sowie auf „Der Immobilienbewerter“ (Reguvis). Auch hier fand sich nichts.
Fast nichts, denn hilfreich war bei meinen Überlegungen der Fachbeitrag „Verkehrswert einer Mineralölraffinerie“[2]. Ein zwar völlig anderes Objekt, aber auch hier hatte der Autor es mit einer Immobilie zu tun, die er in Bewertungsteilbereiche untergliedert hat. Die Raffinerie und somit auch deren Wertfindung, um die es dort ging, waren deutlich komplexer, als die von mir zu bewertende Kläranlage. Aber der Beitrag bestätigte meinen Grundgedanken der Aufteilung des Grundstücks in unterschiedlich zu betrachtende Bereiche.
Doch die Recherche war noch nicht beendet, es gab und gibt ja noch das Internet. Und tatsächlich brachte der Suchbegriff „Bewertung einer Kläranlage“ unzählige Fundstellen. Die Ernüchterung ließ nicht lange auf sich warten, denn in erster Line ging es bei den gefundenen Publikationen um energetische, sanitäre, biologische und ökologische Bewertungen. Es werden Leistungsreserven und Leistungsdefizite bewertet, Umweltwirkungen und auch die Energieeffizienz, aber niemand hatte sich mit dem Verkehrswert beschäftigt. Zumindest wurde offenbar nichts diesbezügliches publiziert.
Lösungsansatz
Bei der zu bewertenden Immobilie handelt es sich um ein Gewerbeobjekt, wenn auch um eines, das nicht in erster Linie in Gewinnerzielungsabsicht errichtet wurde. Ihr Hauptzweck ist natürlich die Erfüllung der eingangs erwähnten gesetzlichen Verpflichtung zur Reinigung von Abwässern.
Verfahrensfindung
Das Vergleichswertverfahren schied mangels verfügbarer Transaktionsdaten von vornherein aus. Die Anwendung des Sachwertverfahrens als führendes Verfahren, wäre (aufgrund fehlender Gewinnerzielungsabsicht) grundsätzlich denkbar, scheitert aber am Ende dennoch am fehlenden fundierten Sachwertfaktor. Für mich kam es dennoch als stützend angewandtes Verfahren in Frage, den Sachwertfaktor habe ich dabei aus den Hinweisen der Fachliteratur hilfsweise abgeleitet.
Blieb also das Ertragswertfahren als vorliegend beste Wahl.
Überlegungen zu den Erträgen
Schon der Eingangsparameter des Ertragswertverfahrens stellte die nächste zu nehmende Hürde dar, die nachhaltig erzielbaren Erträgen. Mein erster Gedanke galt natürlich den Abwassergebühren.
Die Stadt, in der die Kläranlage beheimatet ist, erhebt Abwassergebühren von rd. 3,60 € je m³ Abwasser. Multipliziert mit den rd. 80.000 m³ Abwasser pro Tag ergibt dies einen Erlös von rd. 105 Mio.€ pro Jahr.
Ein beeindruckender Wert. Aber natürlich ergeben sich Fragen:
- Welcher Anteil von den rd. 105 Mio.€ ist der Kläranlage zuzuordnen? Denn ein Teil der Erlöse ist z. B. dem städtischen Abwasser- bzw. Kanalnetz zuzurechnen, das ebenfalls betrieben, instandgehalten und modernisiert werden muss?
- Welcher Anteil der Erträge ist davon wiederum der Immobilie Kläranlage zuzurechnen und wie hoch ist der Anteil, der auf den Betrieb und deren Maschinen etc. entfällt?
Ich habe auch über einen Ansatz nach dem Pachtwertverfahren nachgedacht, aber hierbei ergibt sich auch die Frage nach dem zuzurechnenden Umsatz sowie der Höhe der maßgeblichen Pacht.
Sind diese Fragen fundiert beantwortet, ergibt sich die nächste Fragestellung. Wie hoch sind die anzusetzenden Bewirtschaftungskosten?
All diese Fragen ließen sich im Rahmen der Wertermittlung für das konkrete Objekt nicht sinnvoll und nicht fundiert beantworten. Zudem hätten in die Ertragswertermittlung marktübliche Ansätze einfließen müssen, die auch nicht vorlagen.
Die Wertfindung über die Abwassergebühren habe ich somit nicht weiter verfolgt, bin aber dennoch davon überzeugt, dass dieser Ansatz der Richtige sein kann, wenn denn die nötigen Daten verfügbar sind.
Der nächste Gedanke betraf die Vermietung einer durch Investoren installierten Kläranlage, die wiederum an eine Kommune als Betreiber vermietet wird. Es ist mir allerdings nicht gelungen, Informationen zu solchen Modellen zu bekommen oder überhaupt Hinweise dazu zu finden, ob es solche Modelle gibt. Gefunden habe ich Hinweise zu Modellen, in denen Investoren von Kommunen in der Entwicklungs- und Finanzierungsphase ins Boot geholt wurden, um über solche Beteiligungsmodelle ggfs. Steuer- oder Subventionsvorteile zu erzielen. Eine sinnvoll ableitbare Miete hat sich aber aus diesem Gedanken heraus auch nicht ergeben.
Als dritten Gedanken habe ich dann die Aufgliederung des Objektes in Bewertungsteilbereiche vorgenommen. Es gab ein Verwaltungs- und Laborgebäude sowie ein Werkstattgebäude und Parkplätze, denen fiktiv marktübliche Erträge zugeordnet werden konnten. Dazu die Außenanlagen inclusive der Maschineneinhausungen.
Der Lösungsansatz war gefunden, so dass nun die Wertermittlung beginnen konnte.
Ich möchte noch anmerken, dass ich diesen Lösungsansatz auch mit verschiedenen Fachkollegen und Dozenten besprochen habe, die ich im Rahmen meiner häufig besuchten Fortbildungsveranstaltungen kennenlernen durfte. Ich habe dabei ausschließlich Zustimmung zum von mir gefundenen Lösungsansatz bekommen. Keiner der Ansprechpartner und Ansprechpartnerinnen hatte einen anderen Ansatz oder Argumente gegen meinen Ansatz.
Dennoch kann es natürlich sein, dass es andere und möglicherweise treffendere Ansätze zur Lösung des Problems gibt. Wenn Sie, liebe Leserin, lieber Leser dieser Zeilen einen besseren Ansatz haben, bitte sehr gern bei mir melden! Ich lerne immer gen dazu!
Wertermittlung
Bodenwert
Die Ermittlung des Bodenwertes bereitete keine besonderen Hürden. Der vorhandene Bodenrichtwert passte, es waren lediglich Teilflächen, ein Überschwemmungsgebiet und eine mit einer Grunddienstbarkeit belastete Fläche, mit einem reduzierten Wert anzusetzen.
Ertragswert
Für die Bewertungsteilbereiche der Gebäude sowie für die Parkplätze lagen marktübliche Mietansätze vor, die entsprechend in die Ermittlung des Rohertrags eingeflossen sind. Die Bewirtschaftungskosten wurden für die Gebäude gemäß Ertragswertrichtlinie angesetzt. Für die Parkplätze habe ich die von Sprengnetter in den Marktdaten und Praxishilfen ermittelten und veröffentlichten Bewirtschaftungskostenwerte in Ansatz gebracht.
Es gab keinen Liegenschaftszinssatz des Gutachterausschusses für vergleichbare Objekte. Im Gutachten habe ich die Wahl des Zinssatzes wie folgt begründet:
Unter Berücksichtigung der Empfehlungen und empirischen Ermittlungen der einschlägigen Literatur und insbesondere unter Anwendung des Ableitungsvorschlags nach Hausmann, habe ich den für die Bewertung anzusetzenden Liegenschaftszinssatz mit dem Mittel zwischen 7,03 % und 7,10 %, also mit rd. 7,07 % angesetzt.
Hierin ist der eingeschränkten Verwertbarkeit der Liegenschaft in Form eines Fungibilitätsabschlages bereits Rechnung getragen, der die Überschreitung des IVD-Gewerbe-Preisspiegels mit einer hier zutreffenden Bandbreite von 5,25 % - 6,75 % ebenfalls rechtfertigt. Zugleich ist die Ableitung nach Hausmann durch den Preisspiegel bestätigt.[3]
Die Außenanlagen bedurften aufgrund ihrer erheblichen Relevanz für das zu bewertende Objekt ebenfalls der Berücksichtigung im Ertragswertverfahren. Ich habe keinen Ansatz gefunden, hierfür sinnvoll anzuwendende - wenn auch fiktive - Erlöse abzuleiten. Aus meiner Erfahrung aus der Unternehmensbewertung heraus, ist in solchen Fällen auch der Ansatz des Asset-Value (Vermögenswert, Buchwert) gängig. Ich habe nun nach Hinweisen gesucht, diesen Ansatz auch in Verkehrswertermittlung zu verwenden und bin im Werk „Bewertung von Spezialimmobilien“ im Kapitel „Bewertung von öffentlichen Bauten“[4] fündig geworden.
Die Buchwerte des Anlagevermögens lagen mir vor und die auf die Immobilien entfallenden Anlagengegenstände ließen sich sehr gut herausfiltern, so dass auch der im Rahmen der besonderen objektspezifischen Grundstücksmerkmale angesetzte Zeitwert der baulichen Außenanlagen fundiert, transparent und für alle Beteiligten nachvollziehbar war.
Sachwert
Im stützend durchgeführten Sachwertverfahren bin ich ähnlich vorgegangen. Für die zu bewertenden Gebäude gab es in der (damals relevanten) Sachwertrichtlinie passende Gebäudetypen, so dass die Ermittlung des vorläufigen Sachwerts im Standard durchgeführt werden konnte. Den Sachwertfaktor habe ich mangels Angaben des Gutachterausschusses und anderer Daten mit 0,55 hilfsweise aus mir vorliegenden Werten abgleitet. Schlussendlich wurden die Außenanlagen auch im Sachwertverfahren im Bereich der besonderen objektspezifischen Grundstücksmerkmale angesetzt, da keine Normalherstellkosten vorlagen und die Anwendung des Sachwertfaktors auf die vorliegenden Zeitwerte nicht sachgerecht gewesen wäre.
Fazit
Wie schon eingangs erwähnt, erhebt dieser Beitrag nicht den Anspruch eine Anleitung zur Bewertung von Kläranlagen darzustellen! Es war wichtig und erforderlich, eine Lösung zu finden und zu einem realistischen Ergebnis zu kommen. Das ist offenkundig gelungen, das Gutachten wurde von allen Beteiligten kritisch geprüft sowie vorbehaltlos akzeptiert und anerkannt.
Darum stelle ich meine Vorgehensweise hier vor und gern auch zur Diskussion.
Ich mag Herausforderungen und habe den Auftrag angenommen, insbesondere weil ich Zutrauen in meine Kenntnisse, Erfahrungen und nicht zuletzt meinen Lösungsfindungswillen habe. Ich hatte keine Expertise in der Bewertung von Kläranlagen, aber ich denke, ich habe eine vorzeigbare Expertise in der Immobilienwertermittlung, zudem war meine „Vorgeschichte“ der langjährigen Tätigkeit im Controlling überaus hilfreich. Und ich bin heute sehr froh, dass ich ihn angenommen habe, denn ich habe viele neue Erfahrungen, insbesondere im Rahmen der notwendigen Recherche, gewinnen können. Ich habe vor allem sehr viel Interessantes über Kläranlagen gelernt. Der Blick hinter die Kulissen ist etwas, was mich an meiner Tätigkeit immer wieder fasziniert.
Die Klasse der Sonder- und Spezialimmobilien birgt immens viele spannende und hochinteressante Bewertungsobjekte fernab von jedem Standard. Die Kläranlage ist sicher nur ein Beispiel dafür, dass auch über Objekte, für die es offenbar keine passablen Daten gibt und die zuvor noch nicht in der Literatur behandelt wurden, in manchen Fällen ein Verkehrswertgutachten erstellt werden muss.
Und wenn es keine vorgezeichneten Wege gibt, muss man eigene Wege finden.
Diese aber immer wieder prüfen und vor allem mit handfesten, stimmigen und nachvollziehbaren Argumenten belegen.
[1] Quelle: https://www.bmuv.de/themen/wasser-ressourcen-abfall/binnengewaesser/abwasser
[2] Autor: Loose; Immobilien und Bewerten, 04/2014, S. 155 ff.
[3] Vgl. Tillmann, Kleiber, Seitz (Hrsg.): Tabellenhandbuch zur Ermittlung des Verkehrswertes und des Beleihungswertes von Grundstücken, 2. Auflage, Bundesanzeiger Verlag, 2017, Köln; s. 419 ff und 430
[4] Bienert (Hrsg.): Bewertung von Spezialimmobilien, Gabler Wiesbaden 2005, Seite 818 ff
Kontakt zum Autor: Thomas Braun | Tel. 0151 4012 9681 |
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