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Immobilienbewertung Essen: Restnutzungsdauergutachten
Das Rathaus in Zeulenroda-Triebes am Marktplatz.

Die geplanten Änderungen bei der Anerkennung von Restnutzungsdauergutachten sind vom Tisch!

Zunächst war geplant, die Flut der Restnutzungsdauergutachten durch verschärfte Regeln einzudämmen. Doch dies ist nun vom Tisch.

Der Bundesrat hatte in seiner Stellungnahme zum Jahressteuergesetz 2024 (JStG 2024) deutliche Einschränkungen in Bezug auf den Nachweis einer verkürzten tatsächlichen Nutzungsdauer gefordert. Diese Forderungen wurden jedoch weder von der Bundesregierung noch vom Finanzausschuss berücksichtigt. Am 22. November 2024 hätte der Bundesrat letztmalig die Möglichkeit gehabt, Änderungen über den Vermittlungsausschuss durchzusetzen, machte davon jedoch keinen Gebrauch.

Unter anderem hatte der Bundesrat eine verpflichtende Ortsbesichtigung des Objektes gefordert. Für mich ist es völlig unverständlich, wie jemand ein Gutachten über ein Objekt schreiben kann, dass er nicht mit eigenen Augen gesehen hat. Halte ich persönlich für sehr unseriös, aber manche "Gutachter" nehmen es wohl nicht so genau.

Die geplanten Regelungen zielten eigentlich darauf ab, Missbrauch durch vereinfachte oder unzureichend fundierte Gutachten zu verhindern. In der Vergangenheit wurden viele automatisierte oder pauschale Gutachten eingereicht, was zu einem hohen Verwaltungsaufwand und potenziellen Steuerausfällen führte. Die geplanten neuen Vorschriften sollten sicherstellen, dass nur realistisch begründete und individuell erstellte Gutachten anerkannt werden.

Was ist ein Restnutzungsdauergutachten?

Ein Gutachten zur Ermittlung der Restnutzungsdauer einer Immobilie ist eine professionelle Einschätzung, die die verbleibende tatsächliche Nutzungsdauer eines Gebäudes feststellt. Diese Dauer beschreibt den Zeitraum, in dem eine Immobilie bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung noch wirtschaftlich sinnvoll genutzt werden kann. Solche Gutachten sind besonders relevant für steuerliche Abschreibungen, Immobilieninvestitionen und strategische Entscheidungen bezüglich Sanierungen oder Verkäufen. Sie unterscheiden sich sehr deutlich von Verkehrswertgutachten zur Immobilienbewertung.

Zweck und Bedeutung von Restnutzungsdauergutachten

  • Steuerliche Vorteile: In Deutschland werden Immobilien steuerlich in der Regel über 40 bis 50 Jahre abgeschrieben. Ein Restnutzungsdauergutachten kann nachweisen, dass die tatsächliche Nutzungsdauer kürzer ist, wodurch die jährliche Abschreibung (AfA) erhöht und die Steuerlast gesenkt werden kann (§ 7 Abs. 4 Satz 2 EStG).
  • Investitionsentscheidungen: Investoren nutzen solche Gutachten, um die tatsächliche Lebensdauer und Rentabilität einer Immobilie besser einschätzen zu können. Dies ist besonders wichtig beim Kauf älterer oder unsanierter Gebäude.
  • Planung von Sanierungen: Eigentümer können auf Basis des Gutachtens Modernisierungsmaßnahmen planen oder entscheiden, ob eine Sanierung oder ein Abriss sinnvoller ist.

Inhalte eines Gutachtens

Ein Restnutzungsdauergutachten umfasst:

  • Technische Bewertung: Analyse des baulichen Zustands, der Bausubstanz und der technischen Ausstattung.
  • Wirtschaftliche Bewertung: Einschätzung der Rentabilität und der verbleibenden Einnahmen im Verhältnis zu den Kosten.
  • Rechtliche Bewertung: Berücksichtigung rechtlicher Einschränkungen, wie z. B. Denkmalschutz.
  • Standortanalyse: Untersuchung der Makro- und Mikrolage, die Einfluss auf die Nutzbarkeit hat.

Verkehrswertgutachten vs. Restnutzungsdauergutachten

Ein Verkehrswertgutachten und ein Restnutzungsdauergutachten unterscheiden sich grundlegend in ihrer Zielsetzung, Methodik und Anwendung. Die Hauptunterschiede sind:

Verkehrswertgutachten

Zielsetzung:

  • Bestimmung des aktuellen Marktwertes (Verkehrswert) einer Immobilie gemäß § 194 BauGB.
  • Dient oft als Basis für Kauf-/Verkaufspreisermittlungen, Beleihungsprüfungen, Erbschafts- oder Scheidungsauseinandersetzungen.

Methodik:

  • Analyse von Lage, Gebäudezustand, Nutzungsmöglichkeiten, Markttrends und Vergleichswerten.
  • Methoden:
    • Vergleichswertverfahren (basierend auf ähnlichen Objekten).
    • Ertragswertverfahren (bei Renditeobjekten, wie Mietwohnungen).
    • Sachwertverfahren (bei eigengenutzten oder spezialisierten Immobilien).
  • Berücksichtigt die gesamte Immobilie, inklusive Restnutzungsdauer, aber auch Aspekte wie Standortqualität und Nutzungspotenzial.

Anwendungsbereich:

  • Banken, Käufer, Verkäufer, Gerichte oder Behörden.
  • Der Fokus liegt auf dem wirtschaftlichen Verkehrswert/Marktwert.

Restnutzungsdauergutachten

Zielsetzung:

  • Ermittlung der tatsächlichen verbleibenden Nutzungsdauer einer Immobilie oder einzelner Gebäudeteile.
  • Relevant für Abschreibungen, steuerliche Berechnungen und Investitionsentscheidungen.

Methodik:

  • Beurteilung des technischen Zustands der Immobilie, Modernisierungen und unterlassene Instandhaltungen.
  • Schätzung, wie lange das Objekt ohne grundlegende Sanierung noch nutzbar bleibt.
  • Weniger markt- und mehr bautechnisch orientiert.

Anwendungsbereich:

  • Finanzämter (steuerliche Abschreibung nach § 7 Abs. 4 EStG).
  • Entscheidungshilfen für Sanierung oder Abriss.
  • Der Fokus liegt auf dem technischen Zustand und der ökonomischen Restnutzbarkeit.

Vergleich der Hauptunterschiede

 

 Aspekt Verkehrswertgutachten Restnutzungsdauergutachten
 Zielsetzung  Marktwert einer Immobilie  Verbleibende tatsächliche Nutzungsdauer
 Betrachtungsperspektive  Wirtschaftlich/marktbezogen  Technisch/baulich
 Basis  Marktanalysen, Vergleichsobjekte, Nutzungspotenziale  Technische Substanz, Modernisierungen, Schäden
 Relevanz  Verkauf, Kauf, Finanzierung  Steuerliche Zwecke, Investitionsentscheidungen
 Rechtsgrundlage  § 194 BauGB, ImmoWertV  § 7 Abs. 4 EStG

 

Wechselwirkungen

Die Restnutzungsdauer ist so gut wie immer ein Bestandteil eines Verkehrswertgutachtens, da sie erheblichen Einfluss auf den Marktwert hat. Ein separates Restnutzungsdauergutachten wird jedoch speziell erstellt, wenn steuerliche oder technische Aspekte im Fokus stehen. In einem Verkehrswertgutachten spiegelt die ermittelte Restnutzungsdauer nicht zwingend die tatsächliche Restnutzungsdauer, vielmehr ist ihre Ermittlung in der ImmoWertV standardisiert vorgeben. Sie orientiert sich natürlich an den objebktspezifischen Gegebenheiten, der Hintergrund ist aber ganz klar die Modellkonformität.

Beide Gutachten können in Kombination sinnvoll sein, z. B. bei Sanierungsobjekten, um sowohl den aktuellen Marktwert als auch die verbleibende tatsächliche Nutzungsdauer zu bewerten.

Faktoren zur Ermittlung der tatsächlichen Restnutzungsdauer

Die Restnutzungsdauer wird durch verschiedene Faktoren beeinflusst:

  • Alter und Baujahr des Gebäudes
  • Zustand der Bausubstanz
  • Umfang durchgeführter Modernisierungen oder unterlassener Instandhaltungen
  • Gebäudestandard und Bauweise
  • Art der Nutzung (z. B. Wohn- oder Gewerbeimmobilien)
  • Standortbedingungen

Vorteile eines Restnutzungsdauergutachtens

  1. Höhere steuerliche Abschreibungen durch Nachweis einer kürzeren Nutzungsdauer.
  2. Fundierte Grundlage für Kaufentscheidungen und Verhandlungen.
  3. Unterstützung bei der Planung von Modernisierungen oder Abrissmaßnahmen.
  4. Langfristige Optimierung der Rendite bei vermieteten Immobilien.

Relevanz für Finanzämter

Das Bundesministerium der Finanzen hat im Februar 2023 klargestellt, dass solche Gutachten als Nachweis für eine verkürzte Nutzungsdauer anerkannt werden können, sofern sie von qualifizierten Sachverständigen erstellt wurden. Insgesamt können Restnutzungsdauergutachten ein hilfreiches Instrument für Immobilienbesitzer und Investoren sein, um steuerliche Vorteile zu nutzen und fundierte Entscheidungen über den Umgang mit ihren Immobilien zu treffen.

Die Lage ist aber alles andere als klar und eindeutig.

Anforderungen in den Bundesländern an ein Restnutzungsdauergutachten

Die Finanzämter prüfen bundesweit die Gutachten individuell, sodass es keine direkten länderspezifischen, gesetzlich geregelten Unterschiede gibt. Dennoch sind Abweichungen in der Anerkennungspraxis möglich. Eine Recherche zeigt zum Beispiel:

  • Baden-Württemberg: Hier wird großer Wert auf die Dokumentation von Modernisierungen gelegt, um die veränderte Restnutzungsdauer nachzuweisen.
  • Nordrhein-Westfalen: Besichtigungen werden häufiger gefordert, besonders bei älteren Gebäuden.
  • Bayern: Die Finanzämter verlangen oft detaillierte Belege zu energetischen Modernisierungen, da diese die Restnutzungsdauer stark beeinflussen können.
  • Berlin: Häufig wird die Anerkennung von Gutachten enger an aktuelle Marktanalysen gekoppelt.
  • Hamburg und Bremen: Für ältere Immobilien ist eine Kombination aus Gutachten und Schadensdokumentation sinnvoll, um die Anerkennung zu erleichtern.

Praxisbezug und Herausforderungen

In der Praxis entscheiden die Finanzämter oftmals individuell über die Akzeptanz. Gutachten mit klaren Belegen und nachvollziehbaren Kriterien haben die besten Chancen, anerkannt zu werden. Es bleibt wichtig, dass das Gutachten steuerrechtlich fundiert und vollständig dokumentiert ist, insbesondere hinsichtlich der restlichen wirtschaftlichen Nutzungsdauer.

Aus meiner eigenen Erfahrung sehe ich das ähnlich. Manche Finanzämter haben auch Verkehrswertgutachten zum Nachweis der kürzeren tatsächlichen Restnutzungsdauer problemlos anerkannt, andere haben mit teils hanebüchenen Argumenten rigoros alles abgelehnt und das Gutachten mitsamt Gutachter für nicht zulässig erklärt. Dem Steuerpflichtigen wurde der Klageweg nahegelegt.

Mein persönliches Fazit

Ich erstelle Verkehrswertgutachten und keine Gutachten zum Nachweis einer kürzeren tatsächlichen Restnutzungsdauer. Es ist ganz einfach viel zu ungewiss, ob das Finanzamt ein Restnutzungsdauergutachten auch anerkennt. Der Fokus bei einem Restnutzungsdauergutachten liegt sehr stark auf den technischen Gegebenheiten der Bausubstanz. Darum ist m. E. für ein solches Gutachten auch eher ein technisch versierter Bausachverständiger zu beauftragen und nicht unbedingt ein Sachverständiger für Immobilienbewertung bzw. Immobilienwertermittlung, dessen Fokus eher auf dem Markt, den rechtlichen Gegebenheiten und den kaufmännischen Belangen liegt.


Kontakt zum Autor: Thomas Braun | Tel. 0151 4012 9681 | Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

Beitragsbild(er): © Thomas Braun - Sachverständiger für Immobilienbewertung, Essen|Leipzig


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